Technisches Denkmal
Die Technik der BronZe-Glockenspiels
Das Lößnitzer Bronze-Glockenspiel besteht aus 23 Bronzeglocken. Die größte Glocke hat ein Gewicht von 350 kg – die kleinste lediglich 12 kg und ist 25 cm hoch. Das Gesamtgewicht beträgt 2.400 kg.
Der Tonumfang umfasst zwei Oktaven in der Tonfolge von b1 bis b³, es fehlen lediglich die beiden unteren Halbtöne h1 und cis³, da die Unterbringung zweier so großer Glocken aus Platzgründen nicht möglich war.
Die Glocken hängen an einem eisernen Gerüst, dem sogenannten Glockenstuhl an sechs starken Eichenbalken. Diese Art der Aufhängung wirkt sich vorteilhaft auf den Klang aus.
Über Drahtzüge und entsprechende Kipphebel, wird der Klöppel an die Glocke angeschlagen. Die Drahtzüge führen abwärts in das dreifach-Spielwerk, das vor Wind und Wetter geschützt, in der Spielstube untergebracht ist. Beim Handspiel werden am Spieltisch dicke Holzstäbe heruntergedrückt oder geschlagen (traktiert). Die 23 Holzstäbe sind in zwei Reihen angeordnet und für die tiefsten Töne stehen zusätzlich fünf Fußpedalen zur Verfügung. Beim halbautomatischen Spielwerk drückt der Spieler Tasten wie bei einem Klavier nieder, alles Übrige besorgt ein pneumatischer Mechanismus. Die historische Spielzeiteinstellung befindet sich in einem Holzgehäuse in Höhe der Läuteglocken. Auf einem Zahnrad eingesetzt Stifte lösen über Kontakthebel den Spielbeginn aus.
Bis zum Jahre 1976 war diese Mechanik direkt an das alte Turmuhrwerk angebaut. Im Laufe eines Tages ist es möglich, mehrere Spielzeiten zu realisieren. Um eine Überschneidung mit dem Geläut der Hauptglocken zu vermeiden, erfolgt der Spielbeginn des Glockenspiels ca. 10 Minuten zeitversetzt.
Des Weiteren besitzt das Glockenspiel eine Notenrollen-Abspielautomatik. Damit ist es möglich regelmäßig wiederkehrende Melodien mit Dynamiksteuerung mittels Papierrollen, ähnlich wie es bei elektrischen Klavieren Verwendung findet abzuspielen. Die neben der Spielstube untergebrachte Saugpumpe ist das Kernstück für die historische automatische Spieltechnik. Sie erzeugt Saugluft, die für die Steuerung und das Spiel mittels Notenrollen oder Klaviertastatur benötigt wird.
Es ist selbstverständlich, dass bei einer solchen Einrichtung, die in ca. 50 m Höhe zum Teil im Freien angebracht ist, laufende Wartung und Pflege nötig sind und Reparaturen unter fachlicher und denkmalschutzrechtlicher Aufsicht ausgeführt werden. Um die in allen Bestandteilen denkmal-geschützte Abspielanlage zu entlasten, wurden anlässlich des Jubiläums „65 Jahre Lößnitzer Bronze-Glockenspiel“ im Jahre 2004 eine computergesteuerte Anschlagtechnik mit jeweils einem Außenanschlag an jeder Glocke installiert. Diese Technik lässt sich zusätzlich über eine Funkfernbedienung auslösen. Bis zum heutigen Zeitpunkt sind über 50 Musikstücke, auf dieser Technik gespeichert und es kommen ständig neue hinzu.
Eine Lößnitzer Sehenswürdigkeit
Die Geschichte
Das Glockenspiel, in der Fachsprache auch Carillon genannt, stiftete Frau Clara Pfauter, geb. Colditz ihrer Heimatstadt Lößnitz anlässlich der 700-Jahrfeier im Jahre 1938.
Gegossen wurden die Glocken von der bekannten Glockengießerei Franz Schilling aus Apolda. Die dazugehörige Technik lieferte die Leipziger Turmuhrenfabrik Zachariä.
Ursprünglich war der Turm des Lößnitzer Rathauses als Standort für das Glockenspiel vorgesehen. Dieser erwies sich jedoch aus statischen Gründen als ungeeignet.
Im beiderseitigen Einvernehmen zwischen Stadtverwaltung und Kirchenvorstand wurde der Turm der St. Johanniskirche auserwählt. Auch akustisch war dieser Standort die bessere Lösung.
Am 28. Mai 1939, dem Pfingstfeiertag, wurde das Glockenspiel unter großer Beteiligung der Bevölkerung und vielen geladenen Ehrengästen, unter ihnen auch die Stifterin Frau Clara Pfauter mit ihrer Familie, feierlich eingeweiht. Auf etwa 30.000 Reichsmark schätzte man damals den materiellen Wert des kostbaren Geschenkes.
Zu den Besonderheiten des Lößnitzer Bronze-Glockenspiels gehören neben dem von Kennern geschätzter „silbrigen Klang“ die fünf verschiedenen Varianten der Spieltechnik.
Während des 2. Weltkrieges sollte das Glockenspiel, wie viele andere Bronzeglocken im Lande, durch Anordnung des Reichswirtschaftsministeriums für Rüstungszwecke eingeschmolzen werden. Es bedurfte vieler eindringlicher Appelle an die zuständigen Behörden, ehe das Glockenspiel wegen seines „künstlerischen Wertes“ in die Gruppe D (Denkmalschutz) eingestuft wurde und somit vor der Demontage und Zerstörung verschont blieb.
In den Kriegs- und Nachkriegsjahren ertönte das Glockenspiel noch regelmäßig. Es gab allerdings nur wenige Personen, denen die ungewöhnliche Technik vertraut war. Den beiden Lößnitzern Helmar Römer und Hermann Schroth ist es zu verdanken, dass das Glockenspiel nach nur wenigen Jahren Stillstand wieder erklingen konnte.
Neben den feststehenden Spielzeiten, zu denen unter anderem Liedern des unvergessenen Heimatsänger und Dichter Anton Günther, Choräle und Volkslieder erklingen, wird zu besonderen Anlässen das Bronze-Glockenspiel auch von einem unserer fünf Carilloneure manuell gespielt. Das künstlerische Handspiel erhebt das Glockenspiel zu einem lebendigen Instrument.
Das Lößnitzer Bronze-Glockenspiel steht heute in allen seinen Teilen, wie Glocken in Form und Schmuck, Aufbau und Betätigung der Spieleinrichtung sowie der angebauten Automatik unter Denkmalschutz.